Neubeginn
Joana Breitbart
Meckenbeuren (Bodensee) 30.09.2020
Reisewoche 1-4 (08.09.-30.09.20)
Deutschland - Italien - Schweiz – Deutschland
Kilometer 0 – 2450
Fahrstunden 0 – 39
2450 Kilometer in 23 Tagen
Jeder Abschied ist ein Neubeginn: Dienstag, 17 Uhr, strahlender Sonnenschein, die Wehrdaer Kirchenglocken läuten. Wir starten die Maschinen – Josh auf Eleanor, ich auf Bilbo. Damit hat die Reise begonnen. Familie und Nachbarn stehen auf unserem Hof, wünschen uns eine wunderbare Zeit und winken uns ein letztes Mal. Auch wenn der ein oder andere so seine Bedenken hat - sie freuen sich für uns. Und wir freuen uns auch. Ein Kribbeln durchflutet meinen ganzen Körper als wir vom Hof fahren. Zum Abschied fahren wir eine kleine Haunetal Runde, bevor wir Richtung Marburg abbiegen. Im nächsten Ort stehen noch einige gute Freunde von uns und Kollegen von mir an der Straße. Sie jubeln uns zu und winken ebenfalls, jemand hat sich sogar die Mühe gemacht, ein großes Schild zu schreiben „Gute Reise Joana und Joshua“. Es ist ein bisschen wie in einem Traum, aber es ist kein Traum. Jetzt ist der Tag tatsächlich gekommen, die Planungen, die Vorfreude und auch manche Zweifel haben ein Ende. Jetzt fahren wir wirklich los! Ein letzter Blick in den Rückspiegel und weg sind sie, die Freunde, die bekannten Gesichter, die bekannte Umgebung. Wir sind wieder „auf der Straße“.
Bevor wir Deutschland endgültig verlassen, haben wir uns dazu entschieden, noch ein paar gute Freunde zu besuchen und den Start der Reise somit langsam anzugehen. Der „Sprung ins neue Leben“ ist dann etwas sanfter und die Umstellung für Körper und Geist nicht allzu herausfordernd. Am ersten Tag fahren wir daher ganze 63 km zu Josh Kumpel Philipp in Marburg. Bei ihm hat er auch schon die erste Nacht seiner damaligen Afrika Reise verbracht. Mit einem wunderbaren Ausblick auf die Stadt lassen wir den Abend am Feuer über den Dächern Marburgs ausklingen. Die nächste Etappe führt uns erstmal gen Norden, in den Ruhrpott, zu Motorrad Freunden. Claudio und Sonja haben wir auf dem Motorrad Reise Treffen in Gieboldehausen kennen gelernt. Zusammen haben die beiden ebenfalls schon mehrere Motorrad Reisen unternommen, unter anderem nach Brasilien und Kenia. Natürlich haben wir uns viel zu erzählen, die Themen gehen uns nicht aus und auf eine Motorrad Geschichte folgt die nächste. Die zwei sind schon ganz gespannt was wir alles erleben werden und wünschen uns alles erdenklich Gute auf unserem Trip (www.pegasoreise.de). Jetzt geht es für uns endlich nach Süden. Auf unserem Weg beherbergen uns Nösel und Ursel, Flo und Sydney und Julia und Tobi. Mit allen verbringen wir schöne Abende und alle sind erstaunt, dass wir tatsächlich schon „auf der Reise“ sind. Sie dachten irgendwie, wir würden nur eine Wochenendtour machen und freuen sich daher umso mehr, dass wir sie nochmals besucht haben. Josh Kumpel Flo begleitet uns sogar am nächsten Morgen die ersten zwanzig Kilometer mit seinem Moped und zeigt uns schöne kleine Sträßchen.
Nach den ersten 1000 Kilometern machen wir unser erstes Päuschen bei unseren guten Freunden Samuel, Birgit und Max Dorner. Wir bleiben ein paar Tage, um uns und auch die Mopeds zu warten. Josh schraubt ein bisschen in Sams bestens ausgestatteter Werkstatt, hier wird etwas abmontiert, dort etwas dran, Sachen werden gekauft, aber auch aussortiert. Ich widme mich der Wäsche und dem Schreibkram, die Anlegung des Tagebuchs ist schon längst überfällig. Und natürlich kommt die gemeinsame Zeit zu fünft auch nicht zu kurz. Es wird gemeinsam gekocht, gegessen, Fahrrad gefahren und ein Ausflug mit der Trial und der Enduro unternommen. Da lacht vor allem das Herz der drei Männer, die sich mit viel Geschicklichkeit auf ihren Maschinen die Hänge und Pfade entlang arbeiten! Gestärkt und voller Motivation brechen wir nach drei Tagen wieder auf. Noch ein letztes Foto, eine letzte Umarmung, und schon liegt der nächste Abschied hinter uns.
Es ist an der Zeit unsere erste Nacht im Zelt zu verbringen! Durch die viele Gastfreundschaft am Wegesrand mussten wir dieses bisher noch nicht auspacken und aufbauen. In unserer zweiten „Wahlheimat“ Reschen in Südtirol holen wir es jetzt endlich aus den Satteltaschen. Wir haben diesen Ort sowohl durch diverse Skiurlaube im Winter, aber auch durch Wanderurlaube im Sommer in unser Herz geschlossen, weswegen ein Besuch auf dem Weg gen Süden außer Frage stand. Die Fahrt hierher ist an diesem Tag lang und anstrengend, viele Kurven liegen hinter uns, aber das Schwitzen hat sich gelohnt. Im schönen Rojental baue ich an diesem Abend das Zelt auf 2000 Metern Höhe direkt neben einem kleinen Bergteich auf. Mit einem Schluck Wein stoßen wir auf die erste Nacht im Zelt an. Kühl wird sie tatsächlich ziemlich, aber der Sternehimmel ist unglaublich schön. Nach dem wir unseren Kaffee am nächsten Morgen an dem kleinen Teich genossen haben, geht es weiter durch die Berge. Der Flüelapass führt uns über schöne Straßen und Kurven in die Schweiz, wo wir unseren Reisebekannten und Freund Pascal treffen wollen. Ihn haben wir vor drei Jahren während unserer Südamerika Reise mehrmals getroffen und stehen seitdem in Kontakt. Nur zu einem Besuch hat die Zeit bisher immer nicht gereicht. Die Freude ist daher groß, als wir uns endlich gegenüber stehen. Gerade Pascal freut sich riesig, er erzählt uns, dass wir die ersten Reisebekanntschaften sind, die ihn nach seiner sechsjährigen Fahrradreise durch die ganze Welt besuchen kommen (http://www.ptitb.net/One_World).Er und seine Freundin Elodie mit ihrer kleinen Tochter Naé nehmen uns mit zum Klettern unter eine Brücke in der Stadt. Gegen eine kleine Spende für den Schweizer Alpenverein kann man hier den ganzen Tag verschiedene Routen ausprobieren, was Josh auch sofort beherzt tut. Wie ein Äffchen hangelt er sich an den Griffen entlang und ist in kürzester Zeit ganz oben angekommen. Bis zum späten Nachmittag vergnügen wir uns dort, bis alle Kraftreserven aufgebraucht sind und Pascal uns in sein Haus einlädt. Dieses hat er nach seiner Reise komplett selber renoviert und lebt dort jetzt mit Elodie und Naé. Bei Käsefondue und Wein sitzen wir abends zusammen und lassen alte Zeiten Revue passieren, die Geschichten und Erinnerungen gehen uns nicht aus. Spontan bleiben wir den nächsten Tag noch dort, um mit Pascal am angrenzenden Fluss Angeln zu gehen: die Forelle fürs Abendessen wird gefangen. Leider fällt das abendliche Grillen buchstäblich ins Wasser, da ein heftiges Gewitter aufzieht. Kurzerhand müssen wir das Forellen Essen nach drinnen verlegen, aber trotzdem haben uns Pascal und Elodie köstlich bekocht! In der Nacht regnet es so heftig, dass Josh Moped am nächsten Morgen auf der Seite liegt, da der Seitenständer in der durchweichten Wiese eingesunken ist. Zusätzlich sind meine Taschen, trotz dass sie eigentlich wasserdicht sind, mit Regenwasser voll gelaufen. Das Trocknen müssen wir auf später verschieben, da das Wetter bei unserer Abfahrt immer noch sehr durchwachsen ist. Pascal backt uns zum Abschied extra noch ein Brot und, was uns riesig freut, er schenkt uns eines seiner Bücher über seine Reise. Handsigniert und gut verpackt findet es einen Platz in unseren Taschen.
Auf dem Weg an den Bodensee legen wir noch einen Stop bei unserem Freund Luki ein. Ihn haben wir vor zwei Jahren beherbergt, als er mit seinem Motorrad von der Schweiz bis ans Nordkapp und wieder zurück gefahren ist. Seither sagt er immer mal wieder, dass er sich sehr freuen würde, wenn wir auch einmal seine Gäste wären, und jetzt ist der passende Zeitpunkt gekommen. Spät kommen wir an diesem Abend an, der Schweizer Verkehr hat uns ein weiteres Mal wieder viel Zeit und einige Nerven gekostet, und es ist schon dunkel. Luki steht bereits mit ein paar seiner Kumpels vor der Garage bereit, als wir eintreffen. Wir fühlen uns quasi sofort wie zu Hause, so herzlich empfangen werden wir. Die Mopeds dürfen wir in die Garage stellen, im Haus alles nutzen und sogar ein eigenes Zimmer bekommen wir. Auch Lukis Mutter Helene begrüßt uns herzlich, es fühlt sich so an, als würde man sich schon ewig kennen. Wir machen es uns mit allen in der Küche bei einer guten, von Luki selbstgemachten Pizza gemütlich. Bis spät in den Abend hinein sitzen wir bei guter Laune zusammen. Am nächsten Morgen ist Luki leider schon früh weg, aber Helene macht uns extra noch ein ordentliches Frühstück. Endlich scheint auch wieder die Sonne, all unsere Sachen sind getrocknet und es kann weiter gehen.
Ein letztes Ziel zum Abschied nehmen steht noch auf unserer Liste, bevor wir endgültig Richtung Süden aufbrechen. Am Bodensee besuchen wir meinen Vater Matthias und meinen Bruder Ben und machen eine Woche Pause. Ähnlich wie bei Dorners wird noch einmal alles neu durchdacht, bearbeiten und verbessert. Wir genießen die Bodensee-Luft, fahren kleine Motorrad Tagestouren, machen Sport und nutzen die viele freie Zeit zum Erholen. Damit ist unsere „Tour des Abschieds“ endgültig abgeschlossen. Wir brechen auf in Richtung ligurische Grenzkammstraße, wo wir das erste Mal auf unbefestigte Straßen treffen werden, die sich kreuz und quer durch die Alpen schlängeln. Das Wetter ist allerdings umgeschlagen, der Herbst hat uns eingeholt und es ist plötzlich recht frisch. Bis auf 1000 Meter hinunter hat es geschneit und alle Bergwipfel rund um den Bodensee sind weiß. Wie das dann wohl erst in den Alpen aussieht? Das macht unsere Alpenüberquerung spannend! Unsere Tour beginnt langsam aber sicher wirklich zur Reise zu werden… ?️?