Bericht 18
Südafrika Nord
Kilometer 58100 - 58700
Fahrstunden 980 - 987
Reisewoche 78
27.02.2022 - 11.03.2022
600 Kilometer, 7 Fahrstunden, 13 Tage
Diesmal klappt es auf Anhieb. Die Grenze zu Südafrika ist ein Klacks, wenn man nur den richtigen PCR Test vorweisen kann. Immer dieser Papierkram... Damit schaffen wir es trotz des Desasters am vergangenen Tag gerade rechtzeitig zu unseren Campingnachbarn vom Mountain Splendour Campingplatz. Die Straßen im Transvaal sind sehr gut und wir brauchen nicht lange bis zu ihnen. Hennie, Belinda und Carli luden uns schon vor Wochen ein sie in Potchefstroom, südöstlich von Pretoria, zu besuchen.
Jetzt endlich liegt es fast auf dem Weg und so haben wir keine Ausrede mehr. Herzlichst werden wir hier empfangen und in ihr extra renoviertes Gästezimmer einquartiert. Es sind schöne Tage die wir gemeinsam in “Potche” verbringen. Gemeinsam schauen wir uns ein Mountainbike Rennen an, fühlen den fast etwas übertriebenen südafrikanischen Kampfgeist, feuern unsererseits Hennie an und genießen nach getaner Arbeit die berühmte Grillkultur dieses Landes. Zum ersten Mal auf unseren Reisen sind wir pünktlich zum Geburtstag von Joana an einem passenden Ort, um diesen Tag gebührend zu feiern. In Südamerika waren wir nach einem 500 Kilometer Tag so fertig, dass wir noch vor dem Abendessen am Straßenrand ins Zelt gefallen sind und vergangenes Jahr waren wir den ganzen Tag im Flughafen zwischen dem Sudan und Kenia unterwegs. Heute passt die Atmosphäre. Belinda backt einen leckeren Kuchen, Hennie bereitet ein einmaliges Abendessen und die Nacht klingt mit Pinotage Rotwein aus dem Westlichen Kap aus. Joana strahlt den ganzen Tag über, sie freut sich über die Geborgenheit in unserer Gastfamilie und ihren schönen Geburtstag. Endlich mal keine Straßenrandfeier. Schön, wenn ein Plan funktioniert. ;-)
Der Weg führt uns und unsere Motorräder zum vorerst letzten Ziel auf diesem Kontinent: Johannesburg. Von hier werden die Motorräder gemeinsam mit uns mal wieder eine unvermeidbare Flugreise antreten. Die Aufgabe für die nächsten Tage ist also einen Spediteur zu finden, der Kontakte zu den Fluglinien hat und uns einen guten Preis raushauen kann. Die Motorräder müssen dann gemäß den Vorschriften des hiesigen Flughafens zerlegt und verpackt werden. Dann gilt es wie immer die letzte Hürde vor Verlassen (wie auch vor Einreise) eines Landes zu nehmen: Den Zoll. Zum Glück sind wir auch in Johannesburg von einem unserer neuen Freunde, die wir über die vergangenen Weihnachtsferien kennengelernt haben, eingeladen. Wir dürfen bei Yuwi und Thirza wohnen, deren Haus immer von ihren Kindern Etosh, Aria und Etan mit Leben geflutet wird. Hier gibt es genug Platz, helfende Hände und Werkzeug, um das Projekt “Fliegende Motorräder” anzugehen. Es wird auf unserer Internetseite in der Rubrik “Technik” bald ein ausführlicher Bericht mit allen Details und nützlichen Tipps zum Transport von Motorrädern per Luftfracht folgen. Der Prozess der Verpackung und Abwicklung der Papierarbeit war dieses Mal überraschender Weise leider sogar etwas schwieriger als noch in Tunesien oder dem Sudan. Die Reinigung der Motorräder von den gefährlichen Substanzen und die vorschriftsmäßige Verpackung sollte laut Spedition nur von einer Fachwerkstatt ausgeführt werden. Die lassen sich das natürlich ordentlich bezahlen. Mit ein paar verdrehten Dokumenten und einer fachmännischen Reinigung und Verpackung von mir selbst wurden unsere Motorräder dennoch akzeptiert. Offiziell bin ich in Südafrika nun Honda Fachhändler, Mechanikermeister und gelernter Schreiner. Mit meiner Unterschrift und dem schönen Logo unserer neu gegründeten Firma gab es auf einmal keine Probleme mehr. Mit der eigentlichen Arbeit waren alle direkt zufrieden. Wir haben mal wieder jede Menge Kohle gespart und viel dazu gelernt. Da unsere Motorräder noch einige zehntausend Kilometer laufen sollen und nicht hinter der nächsten Ecke wieder stehen bleiben sollen, geben wir sie nur ganz wenigen Fachmännern in die Hand. Nur wenn man sich lange mit dem Mechaniker unterhalten hat, die Werkstatt und das Werkzeug begutachtet hat und dem Fachmann vor vertrauensvoller Überantwortung der Maschinen eine ganze Zeit bei seinen anderen Projekten über die Schulter geschaut hat, sollte man sein Motorrad aus der Hand geben. Wenn es gut werden soll, macht man es am besten selbst. Mit der kompetenten Hilfe und Vermittlung unseres Spediteurs Koos van Dyk, einem Freund unseres Enduro Kumpels Shane “Mountain Man” Dale aus Durban und der Hilfe von Yuwi und seiner Familie ist die ganze Aktion wieder einmal geglückt.
LINK (https://www.personaleffectslogistics.co.za/) --> Koos van Dyk
Das Motorradpaket wartet nun auf eine passende Lücke in einem der Luftfrachter von Turkish Airlines und wir haben somit noch etwas Zeit uns einen letzten Traum auf diesem Kontinent zu erfüllen. Wir mieten uns eine kleine Quetsche und machen uns auf den Weg in den berühmten Kruger Nationalpark, welchen wir mit den Motorrädern leider nicht befahren durften.



Um 5:30 rollen wir nach einer entspannten Nacht wieder aus dem Camp und spähen in dieser idealen Beobachtungszeit für Wildtiere in die Steppe. Die Jahreszeit ist nicht ideal, da das Gras noch zu grün ist und zu hoch wächst, aber das macht die Sache nur spannender. Hier wird es auf jeden Fall nicht langweilig, egal um welche Zeit man sich dieses schöne Fleckchen Erde anschaut. Die Bilder sprechen hier mehr als alle Worte. Vier Tage lang folgen wir dem Rhythmus der Sonne. Von 05:30 bis 18:00 sind wir durchgängig auf der Piste.
Hin und wieder ein Sandwich in den Verpflegungsstationen und Restaurants, die meist an die Hauptcamps angeschlossen sind. Der Park ist dank COVID fast leer. Auf den Campingebenen ist immer etwas frei, Reservieren überflüssig. Ohne viel Verkehr können wir diese unbeschreibliche Tuchfühlung mit all diesen Tieren, die man schon als Kind in den abgegriffenen Afrika Tierbüchern bewundert hat, genießen. 16 Monate ist Joana schon auf dem Kontinent der Löwenherzen unterwegs, bei mir sind es schon 24 und zum ersten Mal ist es uns vergönnt, den einen König der Tiere zu beobachten. So kurz vor unserem Aufbruch scheinen wir es endlich verdient zu haben.
Wir beide bekommen Gänsehaut bei dem majestätischen Anblick einer gähnenden Löwin direkt neben unserem kleinen Gefährt. Es fühlt sich an als wolle uns Afrika nochmal sein ganzes Wesen als Konzentrat einflößen, als wolle es uns nach all dieser Zeit mit Nachdruck auf Wiedersehen sagen: “Erinnert euch an meine exotische Schönheit, wo auch immer ihr seid, ich warte hier auf euch, wenn ihr zurück kommt”.
Die zeitlosen Tage im Kruger sind ein gebührender Abschluss dessen, was vor 16 Monaten und fast 60.000 Kilometern im Hafen von Tunis begonnen hat. Viele atemberaubende Momente später, viele grenzenlose Landschaften weiter, nach einigen Sandwüsten, Steppen, Regenwäldern, Berggipfeln und Sumpfgebieten stehen wir nun am Ende einer langen Etappe auf unserem Weg. Um viele Liter Benzin ärmer, vieler Illusionen beraubt, mit leerem Geldbeutel und nur dem essentiellen Gepäck unterwegs. Afrika hat uns vieles genommen, man könnte sagen wir sind im Laufe der Tour auf das Wesentliche reduziert worden. Vielleicht genau deshalb haben wir uns in diesen Kontinent verliebt. Nachdem wir unsere Ansprüche herunter und wieder herunter und nochmal herunter geschraubt haben, wurde uns bewusst, dass man nicht viel braucht um zu genießen.
Entgegen dessen, was wir zurück lassen mussten, ist das, was wir gewinnen unbezahlbar. Von Tunesien bis Südafrika haben wir Freunde gewonnen. Wir könnten in jedem der bereisten Länder vom Himmel fallen, nackt und ohne einen Cent in der Tasche, wir hätten dort Freunde, die sich um uns kümmern. Es sind diese Menschen, die uns durch den Kontinent getragen haben. Wir ziehen unsere Energie aus diesen Begegnung und lernen nicht aufzugeben, wenn es schwierig wird. Von diesen Meistern der Lebensfreude schauen wir uns gerne etwas ab. Ohne es zu wissen haben sie uns mit ihrer Sicht der Dinge völlig neue Perspektiven auf unser Leben eröffnet und wir hoffen ihnen auch etwas Neues gegeben zu haben. Es ist dieser Austausch, der uns für immer verändert. Es sind diese Gesichter, die wir für immer im Gepäck haben.
Nach dieser letzten, sehr reflektiven Woche im afrikanischen Buschland fahren wir zurück in den Betondschungel Johannesburgs. Die letzten Tage verbringen wir bei einem Teil unserer „namibisch-südafrikanischen Familie“. Ina, die Mutter von Marietjie und Salome, bei deren Familien wir auf unserer Reise jeweils mehrere Tage gewohnt haben, hat ihr Gästezimmer liebevoll für uns hergerichtet. Mit ihrer herzlichen Art macht „Oma Ina“, wie wir sie liebevoll nennen, uns die letzten Tage des Abschieds etwas leichter. Schließlich ist der Tag der Abreise gekommen, das Gepäck ist gut verstaut, der Mietwagen abgegeben. Kurze Zeit später sitzen wir in einem Flugzeug. Diese wunderbare Errungenschaft moderner Technik trägt uns nun in etwa einem halben Tag die Ostküste Afrikas hinauf. Oft schneidet sich die Linie mit unserer vergangenen Reiseroute. Begeistert rufen wir schon fast: “Schau mal, dort wohnt Pete, da ist der Turkana See, dort hatten wir fast kein Wasser mehr, die Grenze zum Sudan muss hier sein, was eine Hitze da unten herrscht, ob Hatoon uns sehen kann, wenn sie zum Himmel schaut?”. Wohl temperiert, mit einem Glas Wasser in der Hand und etwas Entertainment vor der Nase, die etwa 10.000 Meter über dem Rest der Welt schwebt, schauen uns die Leute verständnislos an, wenn sie überhaupt mal den Blick von ihrem Monitor heben, über den ein nichtssagender Film flimmert, während sie denken, WIR seien hier diejenigen, bei denen wohl was falsch läuft...
Ich will schon nach einem halben Tag zurück nach Afrika... aber Asien wäre natürlich auch nicht so schlecht, nur raus aus diesem Flugzeug!